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1.2.24 Sonstiges
 

Unter „Sonstiges“ werden in der Regel alle verbleibenden Klauseln zu- sammengefasst, die sich sonst keinem Punkt des Vertrages zuordnen lassen.

 

Schiedsgericht statt staatliche Gerichtsbarkeit?


Typischerweise wird hier zum Beispiel vereinbart, Streitigkeiten statt vor den staatlichen Gerichten vor einem Schiedsgericht auszutragen. Die Vorteile eines Schiedsgerichts liegen darin, dass sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen und dass deren Schiedssprüche fast in allen Staaten der Welt anerkannt werden und vollstreckbar sind. In einfachen Fällen können sie auch schneller als ein staatliches Gericht sein. Ist der Fall allerdings kompliziert und verlangt besondere Sachkunde, dann dauert das Schiedsverfahren genauso lange wie der staatliche Prozess. Manchmal wird als Vorteil auch noch vorgebracht, dass sachkundige Schiedsrichter gewählt werden können. In der Praxis ist die spezielle Sachkunde eines Schiedsrichters aber selten, man sollte sich daher nicht darauf verlassen. Außerdem kann der Schiedsrichter durch die Parteien nicht gut nach Art eines Sachverständigen befragt werden.

 

Durch die in der Zivilprozessnovelle 2006 eingeführte Möglichkeit für Parteien, die Verfahrensordnung des Schiedsgerichts stark zu beeinflus- sen, lassen sich Schiedsverfahren beschleunigt durchführen. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass die Rechtsordnung des Landes, in dem der Schiedsspruch vollstreckt werden soll, in den wesentlichen Teilen eingehalten wird. Andernfalls ist der Schiedsspruch wegen Verletzung des „ Fingerzeig_rot_klein.jpg - 1555528.2  Ordre public “ nicht vollstreckungsfähig.

 

Nachteile eines Schiedsgerichts: höhere Kosten, Intransparenz der Rechtslage, fehlende Zwangsmittel.


Nachteile eines Schiedsgerichts sind die meistens höheren Kosten und die aufgrund des Ausschlusses der Öffentlichkeit weitgehende Intransparenz der Rechtslage. Außerdem können im Beweisverfahren keine   Zwangsmittel, z.B. hinsichtlich der Aussage von Zeugen oder der Herausgabe von Urkunden Dritter, ergriffen   werden. Ein Schiedsgerichtsverfahren kann daher   für die schwächere Partei von Nachteil sein. Damit ein gültiges Schiedsverfahren eingeleitet wer- den kann, ist eine einwandfreie und gültige Schiedsklausel im Vertrag notwendig.

 

SaaS-Verträge sind häufig grenzüberschreitend. Dann sind   neben dem  Fingerzeig_rot_klein.jpg - 1555528.2 ABGB und dem  Fingerzeig_rot_klein.jpg - 1555528.2  UGB    unter Umständen auch das UN-Kaufrechtsübereinkommen und die EU-Verordnungen Rom I (für Vertragsverhältnisse) und Rom II (für außervertragliche Schuldverhältnisse) anwendbar, außer diese wurden absichtlich und ausdrücklich ausgeschlossen. Es müssen die Vertragsparteien entscheiden, welche Rechtswahl sie treffen wollen, wobei kaum vorhersehbar ist, welche Rechtsordnung im konkreten Streitpunkt von Vorteil sein wird. Der Einschluss dieser transnationalen Bestimmungen setzt jedenfalls deren Kenntnis und sinnvolle Anwendung voraus. Insbesondere kann der Einschluss dann von Vorteil sein, wenn die mögliche fremde Rechtsordnung weitgehend unbekannt oder stark vom nationalen Recht unvorteilhaft abweicht. Das UN-Kaufrecht gilt immer in internationalen Verträgen, wenn es nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird. Die EU-Vollstreckungs-Verordnung vereinfacht und beschleunigt sehr die Exekution innerhalb der EU. Das sollte bei den Vertragsverhandlungen berücksichtigt werden.

 

Die sehr beliebte „Salvatorische Klausel“, die besagt, dass die eventuelle Ungültigkeit einer Bestimmung des Vertrags die anderen Bestimmungen unberührt lässt und die ungültige Klausel durch eine ihr nahekommende gültige Klausel ersetzt werden soll, ist vielfach nutzlos. Zum Einen haben sowohl staatliche Gerichte als auch Schiedsgerichte ohnehin den Vertrag in der Regel so auszulegen, dass er aufrecht bleibt (geltungserhaltende Auslegung). Zum Anderen kann der Ersatz einer ungülti- gen Klausel durch eine ihr nahekommende oder gleichwertige gültige Bestimmung in der Regel nicht durchgeführt werden, weil damit der Sinn der gesetzlichen Ungültigkeitsregel (u.a. § 879 Abs. 1 ABGB13 und § 6 Abs. 3 KSchG14) unterlaufen würde. Das wird von den Gerichten daher nicht zugelassen. Die salvatorische Klausel ist also in der Regel nutzlos, da sie etwas vortäuscht, was nicht umgesetzt werden kann.

 

In manchen Fällen wird die Salvatorische Klausel allerdings ganz gezielt eingesetzt. So ist es nicht unüblich, in Fingerzeig_rot_klein.jpg - 1555528.2  AGB ganz offensichtlich sittenwidrige Normen aufzunehmen, also etwa eine so gut wie vollständige Freizeichnung von Gewährleistungs- und Schadenersatzpflichten. Wie weit eine solche vertragliche Freizeichnung geht, ist oft strittig, aber der Aufsteller der AGB bemüht sich gar nicht erst, eine Formulierung zu finden, die etwa den Ansprüchen der Gerichte genügen könnte. Vielmehr soll der Vertragspartner durch die ganz allgemeine Formulierung be- wusst mit einem künstlich geschaffenen Rechtsunsicherheitsrisiko belastet werden.

 

Von einem vertraglich vereinbarten Schriftlichkeitsgebot kann jederzeit einvernehmlich abgegangen werden – sogar mündlich!


Die Vereinbarung der Schriftlichkeit des Vertrags ist fast immer eine Selbstverständlichkeit. Sie besagt, dass alle Vereinbarungen und Änderungen zu dem Vertrag schriftlich abgeschlossen werden müs- sen, damit sie wirksam werden. Dieser Formvorbehalt hat aber nicht die absolute Wirksamkeit, die ihm oft unterstellt wird, weil für derartige Verträge nach dem österreichischen Privatrecht Formfreiheit gilt. Dies hat zur Folge, dass die Parteien im Einvernehmen auch jederzeit vom vereinbarten Formvorbehalt abweichen können, auch mündlich! Diese Abweichung muss nicht einmal ausdrücklich, sondern kann auch implizit erfolgen. Der Fingerzeig_rot_klein.jpg - 1555528.2  OGH sieht allerdings die Abweichung vom Formvorbehalt auf Grund von nicht-ausdrücklichen Erklärungen sehr kritisch und beurteilt sie streng. Wegen der besseren Beweislage wird je- denfalls dringend empfohlen, die Verträge sowie alle Ergänzungen und Änderungen schriftlich abzuschließen.






Metainfo:
Autor: Eike Wolf, Gunter Ertl und Paul Meinl; Publiziert von: Paul Meinl (pmeinl)
factID: 5563621.2 (...Archiv); Publiziert am 07 Jan. 2013 16:43
 
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